Gesundheitsversorgung der Zukunft – Innovative Konzepte und Modelle

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Freiberg,

haben Sie vielen Dank für die Einladung zum IGiB- Zukunftstag 2024 und die Möglichkeit, ein paar Worte zur Begrüßung an Sie richten zu können.

Ich möchte Sie auch herzlich im Namen der Gesundheitsministerin, Ursula Nonnemacher, zu der heutigen Veranstaltung willkommen heißen, die - wie es der Name schon andeutet -, sich der Zukunft widmen möchte.

Ich habe es mir angewöhnt, zu meinen Grußworten auch immer eine visuelle Begleitung mitzubringen, so dass Sie, wenn Sie mir dann doch nicht zuhören wollen, zumindest eine kleine visuelle Ablenkung haben.

Und was wäre naheliegender, als auch bildlich einen Blick sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu werfen?

Das erste Bild (Abb. 1) zeigt Ihnen wie sich vor 99 Jahren – 1925 – ein luxemburgischer Verleger und Science-Fiction Autor, Hugo Gernsback, die Medizin einer nicht näher bezeichneten Zukunft vorstellte: Mittels eines sogenannten „Teledactyls“ sollten Diagnosen und Interventionen auf Distanz möglich werden.

Science Fiction oder Zukunft? Sie entscheiden.

Das folgende Bild versucht eine mehr systematische Verortung der Zukunft, oder besser der möglichen Zukünfte, Ich denke, dass wir hier einen Konsens haben, dass wir alle tendenziell die „bevorzugten Zukunftsoptionen“ ansteuern wollen. Nur wie und warum?

Ist nicht das Alte, Bewährte, der Status Quo erstrebenswert, wie uns auch bestimmte politische Strömungen glauben machen wollen?

Geht das überhaupt?

Lassen Sie es mich mit einem von mir sehr geschätzen Aphoristiker, Georg Christoph Lichtenberg, der vor 225 Jahren starb, sagen: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

Was bedeutet nun das „wenn es gut werden soll?“ Geht es denn gerade nicht gut?

Wir leben aktuell in jeder Hinsicht in einer herausfordernden Zeit - spiegelbildlich gilt das selbstredend auch für die Gesundheits- und pflegerische Versorgung.

Die Sicherung einer guten gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung ist kein Selbstläufer, sondern gehört angesichts der demografischen Entwicklung zu den größten sozialpolitischen aber auch gesellschaftlichen Herausforderungen.

Denn Gesundheit – ganz gleich welches Verständnis wir davon haben – befähigt uns, uns körperlichen, emotionalen und sozialen Herausforderungen zu stellen und uns an diese anzupassen.

Der Erhalt bzw. die Wiedererlangung von Gesundheit oder auch das Gewährleisten von Gesundheit bei chronischer Erkrankung, Beeinträchtigung oder Pflegebedürftigkeit ist ein essenzieller Teil unseres menschlichen Daseins.

Alleine die Strukturen, die bislang dieses Grundbedürfnis erfüllen, kommen zunehmend an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit: Der Fachkräftemangel spitzt sich in allen Branchen zu – so auch in den Gesundheits- und Pflegeberufen.

Parallel gibt es deutliche Veränderungen in der Art und Weise wie das Verhältnis Beruf zu Berufung verstanden und gelebt wird: Sei es in der Risiko- und Verantwortungsbereitschaft, bei den Anforderungen an die „Work-Life-Balance“, an bisherige Hierarchieverhältnisse oder was Ansprüche an die Selbstwirksamkeit einer/eines jeder/jeden Einzelnen angeht.

Unbestritten bedarf es daher Systemanpassungen und -veränderungen, um die gesundheitliche und pflegerische Versorgung zukunftsfest auszugestalten; Versorgungssicherheit, Behandlungs- und Betreuungsqualität, Digitalisierung und Entbürokratisierung sind die entscheidenden Schlagworte, denen eine solche Reform gerecht werden soll.

Und im Kern geht es dabei immer um Menschen – Menschen, deren Gesundheit gefährdet ist und Menschen, die dafür sorgen möchten, dass diese Gefahr gebannt wird – sei es in der Pflege, im ärztlichen Beruf, im Rettungsdienst etc.

Gesundheit ist immer auch Beziehungsarbeit.

Der viel heraufbeschworene Begriff der Versorgungssicherheit kennt viele Dimensionen - zentral ist – gerade in einem Flächenland wie Brandenburg – die Sicherstellung einer gut erreichbaren und qualitativ hochwertigen gesundheitlichen Versorgung in allen Teilen des Landes und zur Behandlungsqualität gehört eben auch die Erreichbarkeit und Passfähigkeit der Angebote, ganz zu schweigen von den jahrelang vernachlässigten Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie wissen hat das Bundeskabinett am 15. Mai 2024 die Krankenhausreform beschlossen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, KHVVG) und am 22. Mai 2024 das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GSVG).

Es ist aus Sicht der Länder mehr als fraglich, ob es mit dieser Reformgesetzgebung, die per se durchaus zu begrüßen ist, zu einer nachhaltigen und auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser und der geplanten sektorenübergreifenden Versorgung kommt.

Bei der Krankenhausreform hat der Bund kleinere Änderungen vorgenommen, die zentralen Forderungen der Länder – zuletzt am 30. April in Form von 11 Kritikpunkten vorgelegt – wurden erneut nicht beachtet. Zudem beharrt Bundesminister Lauterbach darauf, das Gesetz zustimmungsfrei zu belassen. Der Bund bleibt also bei seiner Linie.

Das Gesetz befindet sich nun im parlamentarischen Verfahren. Die Länder bereiten sich deshalb bereits intensiv auf die Befassung im Bundesrat vor. Zahlreiche Änderungsanträge wurden verfasst und zum Teil schon vorab geeint. Wir müssen bei den zentralen Forderungen standhaft bleiben, denn wir als Länder kennen die Situationen vor Ort und brauchen einen auskömmlich finanzierten Instrumentenkasten, der Kooperationen und sektorübergreifende Versorgung wirklich und bald Realität werden lassen kann.

Ähnlich sieht es beim Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz aus. Die damit verbundenen Ziele zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung durch eine Entbudgetierung und die Einführung einer jährlichen Versorgungspauschale für chronisch kranke Patientinnen und Patienten begrüßt Brandenburg ausdrücklich – genau wie die separate Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen und die Stärkung der Belange von Patient*innen sowie der Pflegeberufe im Gemeinsamen Bundesausschuss.

Grundsätzlich bleibt der Gesetzentwurf aber leider weit hinter den angekündigten „weitreichenden“ Strukturveränderungen zur Stärkung der regionalen Versorgung zurück. Die Länder bringen auch in diesem parlamentarischen Verfahren ihre Forderungen ein.

Im Hinblick auf eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung in ländlichen Regionen sind die Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren für Brandenburg die zentralen Punkte, die auch im Zusammenhang mit dem Umbau von stationären Kapazitäten betrachtet werden müssen.

Ein sektorenübergreifender kooperativer Ansatz ist aus unserer Sicht einer der entscheidenden Hebel für die Sicherstellung und Weiterentwicklung der zukünftigen regionalen Gesundheitsversorgung, immer unter der Prämisse ambulant vor stationär.

Hierfür braucht es starke und kompetente Partner, wie sie auch heute und hier zu finden sind und ein klares Rollenverständnis.

Gerade IGiB hat zusammen mit den Gesellschaftern und Projektpartnern zahlreiche Modellvorhaben ins Leben gerufen, die zeigen, wie zukunftsfähige Versorgungsstrukturen – insbesondere im ländlichen Raum – aussehen können

Beispielhaft genannt seien die Strukturmigration im Mittelbereich Templin, die KV-RegioMed Bereitschaftspraxen oder das Projekt zur Stärkung des ambulanten Bereichs in der Aus- und Weiterbildung (S@AW) im Kontext zum geplanten Ausbau der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem.

Bestandteil des S@AW-Projekts ist unter anderem die Stärkung interprofessioneller Inhalte und multiprofessioneller Zusammenarbeit von ärztlichen und nichtärztlichen Berufen und schafft Begegnungen auf Augenhöhe im ambulanten Kontext.

Neben der ärztlichen Aus- und Weiterbildung widmen wir uns heute auch zwei weiteren Zukunftsdimensionen, nämlich den arztentlastenden Berufsbildern und der Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen.

Ein wichtiger Baustein zur Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung ist nach meiner Ansicht die Entlastung von Ärztinnen und Ärzten durch andere Berufsformate einhergehend mit einer Steigerung der Attraktivität von Pflege- und Gesundheitsberufen: Und das nicht nur finanziell sondern auch ideell und konzeptionell. Die Zukunft wird noch multiprofessioneller und diverser als heute und das ist gut so

Ich bin daher sehr gespannt auf die Vorträge zu Physician Assistants und die Erfahrungen mit dem Projekt Erwin, das die Ministerin vor Kurzem ja bereits in der Landesvertretung Mecklenburg- Vorpommern gewürdigt hat.

Dass dies auch durchaus kritisch gesehen wird, ist mir bewusst. Dennoch sehe ich eine daraus abgeleitete alleinige Fokussierung auf Risiken, wie die Diskussion über Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Delegation und Substitution ärztlicher Tätigkeiten, als nicht zielführend.

Wir sollten vorrangig die Chancen und die Notwendigkeiten der Zukunft im Blick haben: Nur neue, attraktive Berufsfelder mit guter Bezahlung können nachhaltiges Interesse bei jungen Auszubildenden und Berufseinsteigern wecken.

Das gilt auch für die Gewinnung ausländischer Fachkräfte, die oftmals mit neuen akademischen Berufsabschlüssen, gerade auch im Bereich der Pflege, zu uns kommen

Wenn wir das Medizinstudium, also den Weg, neue Ärzt*innen zu bekommen, betrachten, lässt sich festhalten, dass Brandenburg grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist, was Reformelemente im Medizinstudium wie Praxisnähe, Stärkung der Allgemeinmedizin und Verzahnung von Vorklinik und Klinik betrifft.

Die Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB) bildet seit 2015 im Rahmen eines Modellstudiengangs sehr modern und praxisnah aus. Viele der Absolventinnen und Absolventen sind schon im Land tätig

Auch in Cottbus sollen an der neu zu gründenden Medizinischen Universität Lausitz (MUL) (Start ist der 1.7. wenn alles nach Plan läuft) wichtige Ausbildungsreform-Elemente etabliert werden.

Auch hier muss das Ziel sein, Studenabsolvent:innen zu incentivieren, im Land Brandenburg tätig zu werden.

Die ärztliche Weiterbildung wurde erst vor wenigen Jahren (2018; Beschluss des Deutschen Ärztetages in Erfurt) novelliert. Dabei wurde sie kompetenzorientiert aufgestellt - das so genannte E-Logbuch und Weiterbildungspläne eingeführt.

Die Umsetzung ist noch in vollem Gange. Dennoch wird die geplante Krankenhausreform gravierende Auswirkungen für die ärztliche Weiterbildung haben. Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft wird dazu führen, dass weniger Krankenhäuser eine Weiterbildung aus einer Hand anbieten können, Weiterbildungsverbünde inklusive ambulanter Angebote werden eine deutlich größere Rolle als bisher spielen, was auch in den jeweiligen Kammern positive Resonanz finden muss.

Wie bereits vorher erwähnt stehen auch die Versorgungsstrukturen vor einer Weiterentwicklungsnotwendigkeit. Hier freue ich mich schon sehr auf die heutigen Inputs

• aus einer modernen MVZ- und Poliklinik- Perspektive
• wie Herausforderungen, die sich aus der Corona-Pandemie herleiten, begegnet werden kann
• und der Beleuchtung der Schnittstelle der ärztlichen und pflegerischen Versorgung in Alten- und Pflegeeinrichtungen, die durch die Digitalisierung zu einer Nahtstelle

Die heutige Veranstaltung zeigt, dass ein innovativer Geist weiter in Brandenburg weht. Die Gesundheits- und Pflegepolitik der Landesregierung möchte dafür auch den passenden Empfangsraum bieten: Es ist nach meinem Verständnis eine Aufgabe der Politik, gute und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen, die von uns allen dann mit Leben gefüllt werden müssen und können.

Ich möchte mit einem weiteren Zitat, nun von dem französischen Schriftsteller Victor Hugo, zum Schluß kommen:„Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

Vor diesem Hintergrund wünsche ich uns allen nun einen inspirierenden und mutigen Tag und freue mich auf die weiteren Interaktionen.

Herzlichen Dank